Sana Anchur über Ramadan in Zeiten von Corona
Der Ramadan 2020 begann am Abend des 23. April 2020. Eigentlich sind die Moscheen in der islamischen Fastenzeit dann so voll wie nie, denn im Ramadan geht es nicht nur um die innere Besinnung, sondern vor allem auch um das gemeinsame Treffen mit Verwandten und Freunden.
„Ich koche abends bevor wir alle schlafen gehen. Nachts um 2 Uhr bereite ich dann ungefähr 10 Minuten lang das Essen vor. Wir essen zum Beispiel Frischkäse mit Wasser, Melone oder Tee mit Marmelade, Eier und auch Salamibrot, mit der großen Familie so Sana Achur, eine 34-jährige Palästinenserin. Normalerweise schlafe ich dann ungefähr um 4 Uhr ein und wache kurz vor 7 Uhr auf, um für meine Kinder alles für die Schule vorzubereiten.“ Nach einigen Tagen des Fastens merkt man den Schlafmangel durch den geänderten Rhythmus auch an der nachlassenden Konzentration, bestätigt die 34-Jährige. Das gilt sowohl für sie als auch für ihren Mann der bereits eine Arbeitsstelle gefunden hat und ihre beiden ältesten Söhne. Der jüngste Sohn fastet mit seinen 7 Jahren noch nicht mit. Ramadan ist eine fordernde Zeit, in der der Alltag manchmal nur sehr schwer zu bewerkstelligen ist.
Doch durch die Corona-Krise ist dieses Jahr alles ganz anders. Das große Freitagsgebet in der Gemeinschaft anderer Gläubiger wurde verboten – ebenfalls alle anderen Gebete in Moscheen. Wo sonst großes Gedränge herrscht, ist nun gähnende Leere. Auch das gemeinschaftliche Fastenbrechen wurde abgesagt, da die Großküchen, welche es in vielen Moscheen gibt, ebenfalls geschlossen bleiben. Zudem durfte man sich nicht gegenseitig besuchen. Für die meisten Muslime bedeutete dies eine ungewohnte und heftige Einschränkung: „Ramadan habe ich wegen Corona dieses Jahr nur mit meiner eigenen Familie gefeiert und das Fastenbrechen auch. Ohne große Familie ist es nicht so schön, es ist viel schöner, wenn wir alle versammelt sind“, so Sana Achur. Anstatt mit Freunden gemeinsam zu fasten, mussten sich die Gläubigen streng an die Regeln halten: Mundschutz tragen, Abstand halten, zuhause bleiben. So auch die vierköpfige Familie Achur: „Gebetet wurde nur in der Wohnung. Zurzeit ist es eine Ausnahme Situation. Der einzige kleine Pluspunkt: Durch Corona können ich und die Kinder etwas länger schlafen, da es keinen regulären Schulunterricht gibt.“ Trotz aller Mühen und Einschränkungen sei Ramadan „eine schöne Zeit, das Fasten mag vielleicht anstrengend sein, aber trotzdem ist es ein wundervolles Gefühl und man hat trotz wenig Schlaf sehr viel Freude.“
Da Reinheit ein wichtiger Grundsatz im Islam ist, kommen einige Rituale, wie das Händewaschen dem Kampf gegen Corona entgegen: “Die Hygiene und Reinheit sowie die persönliche Sauberkeit sind ein großes Thema im Koran“, sagt Sana Achur. Seit dem 4. Mai können nun die Moscheen wieder sukzessive geöffnet werden.
Der Einlass in die Moschee ist zwar immer noch reglementiert, aber immerhin ist es nun am Ende des Ramadans zum Fastenbrechfest Id al-Fitr erlaubt, zusammen mit anderen Gläubigen vor der Moschee zu beten – gemeinsam“, betont Sana. Und so soll es auch sein, nach einer Zeit des Verzichts werden Moscheen wieder zu sozialen Treffpunkten. Ramadan – eigentlich eine Zeit der Geselligkeit.
Der Ramadan ist der neunte Monat des islamischen Kalenders und ist für die Muslime heilig. Nach der Tradition wurde dem Propheten Mohammad in diesem Monat der Koran offenbart. Im Ramadan gilt für gläubige Muslime in der Zeit von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang eine Fastenpflicht. Sie zählt neben dem Glaubensbekenntnis (“Schahada”), dem täglich fünfmaligen Gebet (“Salat”), der Almosensteuer (“Zakat”) und der Pilgerfahrt nach Mekka (“Hadsch”) zu den fünf sogenannten Säulen des Islam. Das Ende des Ramadans ist einer der wichtigsten muslimischen Feiertage, das Fastenbrechfest Id al-Fitr und dauert drei Tage.
Khaled und Sana Achur mit ihren Kinder Ashour (rechts oben), Majdi (rechts mitte) und Mohammad stammen aus Palästina, und leben schon seit über sieben Jahren in Kornwestheim. Dort hat Sana Achur auch an einem Erstorientierungskurs teilgenommen. Ende April zog die Familie nach Köln, da ihnen die Wohnung gekündigt wurde.
Mein Name ist Susanne Righi-Eberhardt, Dozentin im Erstorientierungskurs der Malteser in Bietigheim-Bissingen. Aktuell versuche ich die Kursteilnehmenden in Zeiten von Corona zu unterstützen, indem ich Ihnen mehrere Übungsblätter pro Woche aushändige und diese wieder einsammle und korrigiere. Ich hoffe die Möglichkeit, die eigene Zukunftsperspektive beeinflussen zu können, ist ein positiver Gedanke für alle.