Kossi Dodji Eklou berichtet vom Leben im Ausnahmezustand
Schulen, Kindergärten, Universitäten, Sprachschulen, Schwimmbäder, Eisdielen, Cafés und Restaurants sind geschlossen, es existiert nahezu kein öffentliches Leben mehr. Seit Wochen ist nichts mehr so wie es einmal war: COVID 19 stellt unser aller Leben auf den Kopf.
Doch wie hat Corona das Leben unzähliger Geflüchteter in den Gemeinschaftsunterkünften verändert? Hier stagniert das Leben ersichtlich: Keine Hausmeister oder Sozialarbeitende sind vor Ort. Der Unterricht in Erstorientierungskursen und anderen Sprachkursen ist auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Der Zutritt für Unbefugte ist verboten und wird sogar mit Geldstrafen geahndet. Außerhalb der Zäune entfaltet sich eine ähnlich aktivitätsarme Ödnis. Spielplätze und Sportmöglichkeiten sind verwaist, Veranstaltungen von Asylgruppen und Vereinen finden nicht mehr statt. Ohne Mundschutz darf weder der öffentliche Nahverkehr noch ein Supermarkt betreten werden.
Wie kommen die Geflüchteten in den Gemeinschaftsunterkünften mit dieser Situation klar? Kossi Dodji Eklou wohnt seit mehreren Monaten in Bietigheim-Bissingen und schildert seine Eindrücke:
“Wir erleben es wie kaum andere Menschen. Es gibt massive Bewegungseinschränkungen. Jeder bleibt in seinem Zimmer. Es besteht kein Kontakt mehr zwischen uns. Es gibt keine Besucher mehr. Jetzt husten wir in den Ellbogen, Hände werden regelmäßig gewaschen. Wir vermeiden es, das Gesicht zu berühren.”
“Ich kenne jedoch niemanden, der betroffen ist. Manche von uns haben noch eine Gesundheitsaufklärung bekommen – Hilfestellungen und Hinweise, wie wir uns im Falle der Pandemie verhalten sollen. Ich habe zum Glück diese Informationen im Erstorientierungskurs erhalten. Leider haben noch nicht alle geeignete Mundschutzmasken und Handschuhe.“
Wie sieht das tägliche Leben mit Corona aus?
“Ich habe jeden einzelnen Tag Angst vor Corona, weil diese Krankheit viele Menschen getötet hat und weiterhin tötet. Ich will nicht sterben. Deshalb bleibe ich jeden Tag zu Hause, vermeide Kontakt und respektiere den Abstand von mindestens 1,5 Metern zwischen mir und anderen Menschen. Aber wir sind 3 Leute in einem kleinen Studio. Wir haben nicht genug Platz im Zimmer.”
“Der Mangel an Arbeit und dass ich nun nicht mehr in meinen Sprachkurs vom Landratsamt gehen kann schafft leider auch mehr Langeweile für mich. Es existiert jedoch auch eine positive Seite. Es gibt keine Deportation mehr. Wir schlafen friedlich, weil wir keine Angst mehr vor der Polizei haben.” (Anmerkung der Redaktion: “Deportation” ist vom Sprachgebrauch der Asylsuchenden übernommen worden – die Sozialarbeiter sprechen von einem “Transfer” von einer GU in eine andere).
Wie bewältigen Sie Ihre Angst und was erhoffen Sie sich für die Zukunft?
“Ich gewinne durch meinen christlichen Glauben an Stärke. Ich bin ein sehr gläubiger Mensch. Zudem lerne ich in meinem Zimmer weiterhin Deutsch. Ich möchte wieder zur Sprachschule gehen, um Deutsch zu lernen. Ich freue mich darauf, wieder dahin zu gehen wohin ich will und wann ich will, Freunde zu treffen. Allerdings werde ich eines dann nicht mehr können: friedlich schlafen, denn wenn alles wieder normal wird, haben wir wieder Angst vor der Polizei. Die Angst bleibt unser Begleiter.”
Kossi (Übersetzung: “Der an einem Sonntag Geborene”) Dodji Eklou (36) ist Togolese und lebt seit knapp einem Jahr in Deutschland. “Ich bin hier, um Asyl zu beantragen, damit Deutschland mich schützt.” Deutschland gefällt ihm sehr gut, da die Rechte von Männern und Frauen respektiert werden und es ein Land der Gastfreundschaft ist – mehrere Nationalitäten können in Deutschland friedlich zusammenleben.
Mein Name ist Susanne Righi-Eberhardt, Dozentin im Erstorientierungskurs der Gemeinschaftsunterkunft Bietigheim-Bissingen. Aktuell versuche ich die Kursteilnehmenden in Zeiten von Corona zu unterstützen, indem ich Ihnen mehrere Übungsblätter pro Woche aushändige und diese wieder einsammle und korrigiere. Ich hoffe die Möglichkeit, die eigene Zukunftsperspektive beeinflussen zu können, ist ein positiver Gedanke für alle. Da ich die Bilder in der Unterkunft nicht selbst fotografieren konnte, habe ich Kossi gebeten diese zu machen. Für das Interview haben wir einen Messenger benutzt.