Vernetzung und Integration
Ein elementarer Schwerpunkt für mich als Dozentin der Erstorientierungskurse liegt auf der Vernetzung. Denn wer vernetzt ist und Kontakte knüpft, kann sich einfacher integrieren. Für mich ist dabei Vernetzung auf mehreren Ebenen relevant. Diese können randlos ineinander übergehen oder ineinandergreifen. Der fließende Übergang macht sie so effektiv und wertvoll für die Asylsuchenden.
Die erste Vernetzungsebene findet innerhalb des Kurses durch Teamarbeit und Hilfestellungen der Teilnehmenden, sowie den Austausch von Erfahrungswerten untereinander statt. Dabei frage ich gezielt nach, ob und wie denn das ein oder andere lokale Angebot bei den Geflüchteten bekannt ist und angenommen wird. Ein Beispiel: Eine der Teilnehmerinnen arbeitet in der Bietigheimer Tafel und hilft die Lebensmittel einzuräumen. Auf meine Bitte erzählt sie den Teilnehmenden sowohl von ihrer Arbeit als auch von der Einrichtung und Aufgabe der Tafel. Die meisten Teilnehmer kennen dabei weder die Tafel noch Neufundland (eine Einrichtung, um günstig gebrauchte Kleidung und Schuhe zu erwerben).
Dies habe ich zum Anlass genommen, beide Einrichtungen mit einer Führung zu besuchen. Die Teilnehmenden erhielten direkt im Anschluss einen Berechtigungsausweis. Besonders gut aufgenommen wurde dabei das hauseigene Café von Neufundland. Hier kann in aller Ruhe gelernt und kostenlos Kaffee oder Tee getrunken werden. Eine Möglichkeit, die in den Unterkünften häufig nicht gegeben ist. Exkursionen zu solchen sozialen Einrichtungen können im Rahmen des Moduls Verkehr/ Mobilität oder Einkauf durchgeführt werden.
Die zweite Vernetzungsebene erfolgt durch die Einbindung von Ehrenamtlichen in den Unterricht. Sie können den Teilnehmenden in vielerlei Hinsicht auf lokaler Ebene weiterhelfen. In Bietigheim-Bissingen informiert uns die Vorsitzende des Ökumenischen Arbeitskreises Asyl jede Woche über aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen (diesen März war es die gesundheitspolitische Aufklärung zum Thema Corona), nennt Kontaktpersonen und bietet Hilfestellungen zu bestimmten Themen an, wie z. B. Übersetzungen oder Erstellen eines Lebenslaufes. Bei Bedarf begleiten die Ehrenamtlichen zu Behördengängen, Arztbesuchen oder Terminen mit Rechtsanwälten. So sind die Teilnehmenden auch auf lokaler Ebene vernetzt und kennen Anlaufstellen und Ansprechpersonen außerhalb der Unterkunft.
Die dritte Ebene bezieht sich auf die behördlichen Strukturen wie das Landratsamt, das Ausländeramt, das Einwohnermeldeamt oder das Arbeitsamt. Um sich im Geflecht des Behördendschungels zurecht zu finden, sollten die richtige Ansprechpersonen sowie auch die zuständigen Ämter für die jeweiligen Anliegen bekannt sein. Interessant und hilfreich ist es für die Teilnehmenden deshalb, die dafür zuständigen Ansprechpersonen kennen zu lernen. Im Zuge dessen wird eine Exkursion zum Arbeitsamt (mit Vortrag) durchgeführt, damit die Teilnehmenden auch wissen, wohin und an wen sie sich wenden müssen, um zu erfahren welche Möglichkeiten ihnen für die Zukunft offen stehen.
Da es jedoch ohne ausreichende Sprachkenntnisse kaum möglich ist, eine Arbeitsstelle zu finden, fahre ich mit den Teilnehmenden eines jeden Kurses zur passenden Stelle des Landratsamtes. Bei uns ist der Bereich Asyl eine sehr dezentral gelegene Außenstelle. Hier können die Teilnehmenden nach dem EOK an einem Sprachtest teilnehmen und werden je nach Sprachniveau in weiterführende Kurse vermittelt.
Für sämtliche Bereiche hat sich die Erstellung einer Chatgruppe als sehr hilfreich und effektiv erwiesen. Per Foto werden Fahrpläne und Öffnungszeiten der Exkursionen und der Kontaktadressen eingestellt. Zudem können die Teilnehmenden Informationen austauschen oder Fragen an den Lehrkörper stellen.
Mit diesen ersten Kontakten von Mensch zu Mensch hoffe ich den Asylsuchenden einen guten Start in das Leben in Deutschland zu ermöglichen.
Mein Name ist Susanne Righi-Eberhardt, ich unterrichte seit 2017 im Landkreis Ludwigsburg Erstorientierungskurse für den Malteser Hilfsdienst. Ich bin Quereinsteigerin und habe zuvor im Medienbereich gearbeitet. Nun arbeite ich weiterhin mit und für Menschen und erlebe so jeden Tag etwas Neues. Eine Herausforderung, die ich als sehr bereichernd für mich empfinde. Ich sehe mich nicht „nur“ als Lehrerin, sondern habe auch ein persönliches Verhältnis zu den Teilnehmenden und freue mich immer, wenn ich nach Beendigung des Kurses im Klassenchat erfahre, was sie momentan erleben und wie es ihnen geht.