Exkursion: Stadtrallye durch Baden-Baden
Um die eigene Stadt besser kennenzulernen und Sprachkenntnisse mit praktischen Fertigkeiten zu verbinden, mache ich mit meinen Kursen gerne eine Stadtrallye. So auch mit einer jungen, fröhlichen und motivierten Gruppe in Baden-Baden.
Die Exkursion beginnt mit einiger Verspätung. Trotz mehrfacher Ankündigung und intensiver Vorbereitung des Ausfluges tauchen einige Teilnehmer*innen mit Hausschuhen und in Jogginghose oder Unterhemd auf. Damit war zu rechnen, weshalb ich großzügig Zeit zum Umziehen eingeplant hatte. Allerdings gibt es auch das andere Extrem: viele Teilnehmer*innen freuen sich seit Tagen auf die Rallye, haben den Stadtplan und Stift in der Hand und sind herausgeputzt, um sich in Baden-Baden zu präsentieren. „Ich schaue die Karte an, ich gewinne“, sagt mir eine Teilnehmerin selbstbewusst.
Gut gelaunt und bei strahlendem Sonnenschein wollen wir gerade den halbstündigen Fußmarsch in die Innenstadt antreten, da ruft eine Frau aus einem der Wohncontainer einen meiner Teilnehmer zu sich „M., please return my Pfand“. Die schwierige Lage der Unterkunft auf einem Berg im Wald, dazu ohne Busverbindung, zwingt die Bewohner am Waldseeplatz zu vermehrter Kooperation. Doch sie haben gelernt sich gegenseitig zu helfen und so ziehen wir mit zwölf Erwachsenen, zwei Babys und drei großen Säcken Pfand los.
Die Rallye beginnt damit, dass sich der Kurs selbstständig in zwei Großgruppen aufteil, die parallel mit mir durch die Stadt laufen. Zunächst kommen wir an der Bibliothek vorbei, wo die erste große Aufgabe darin besteht Informationen über eine Mitgliedschaft zu sammeln. Manchen Teilnehmer*innen gelingt das mühelos, andere lassen sich in ihrer Muttersprache über das Ergebnis informieren. Auch sie lernen dabei etwas über ihre Stadt und ihre Möglichkeiten, finden häufig aber die nächste Aufgabe interessanter: Wie viele Säulen hat die Trinkhalle? Hier zählen nicht so sehr die Sprachkenntnisse, als vielmehr Schnelligkeit. An dem beeindruckenden Gebäude wird direkt eine Pause zum Füttern der Babys und – natürlich – für Selfies an und in der prächtigen Blumenanlage eingelegt. So ein Ausflug wird für Freunde und Verwandte großzügig bei social media geteilt.
Auf dem Weg vorbei an Casino und teuren Bekleidungsgeschäften in Richtung Museumsmeile wird heftig über eine andere Aufgabe meiner Rallye diskutiert: Mache ein Foto von einer Katze oder einem Hund. Gibt es in Deutschland überhaupt Katzen? Sie habe noch nie eine Katze hier gesehen, nur kleine Hunde, behauptet eine Teilnehmerin. Und überhaupt, was kostet so ein Hund eigentlich, und, braucht der, wie in Deutschland eigentlich alles, eine Versicherung oder gibt es sonst eine Strafe? Vorurteile gelten also nicht nur gegenüber den eigenen Nachbarländern („Und in Kamerun essen sie ja Hunde!“), sondern auch den prinzipientreuen und überversicherten Deutschen.
Die ausgelassene Stimmung in der Gruppe erweckt die Aufmerksamkeit des sonst eher zurückhaltenden, älteren Publikums Baden-Badens. Zwei kleine Kinder winken fröhlich vom Balkon eines Luxushotels, eine Gruppe älterer Damen lächelt den hübsch gekleideten Frauen anerkennend zu und um das Gruppenfoto zu schießen findet sich auch sofort ein Freiwilliger.
Am Frieder Burda Museum angekommen erfüllen die Kursteilnehmer*innen mit Gelächter und einiger Selbstironie eine weitere Aufgabe: Zeichne die Skulptur vor dem Frieder Burda Museum. Als ein Besucher des Museum eine der Gruppen auf Englisch anspricht und fragt, ob sie eine Klasse Kunststudierender aus den USA seien ist die Stimmung perfekt. Den Rest des Tages fallen stolzerfüllte Sätze wie „We are an Art Class from the USA!“ oder „I am from NYC!“. Weiter geht es zum Berholdbad, wo direkt Pläne für den ersten Besuch geschmiedet und Verhaltensregeln in Freibädern klargestellt werden.
Auf dem weiteren Weg durch die Stadt erklären die Teilnehmer*innen, die schon etwas länger in Baden-Baden wohnen, den Neuen die besten Wege zu den günstigsten Einkaufsmöglichkeiten. Beim Finale in der Eisdiele, wo als Abschluss noch selbständig eine Kugel Eis bestellt werden darf sowie die Ergebnisse präsentiert werden, gehen schließlich alle Teilnehmer*innen als Gewinner hervor, denn jeder hat neue Facetten seiner Stadt kennengelernt und ist stolz, die Aufgaben der Rallye in harmonischer Teamarbeit gelöst zu haben.
Mein Name ist Lena Maria Maiß und ich leite seit 2018 Erstorientierungskurse. Zunächst habe ich in der Pfalz gearbeitet, seit einem halben Jahr bin ich in Baden-Baden. Bei meiner Arbeit macht es mir besonders Freude mit meinen Teilnehmer*innen über sensible Themen wie Politik und Religion zu sprechen, um Toleranz und gegenseitigen Respekt zu üben.